Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2019; 54(10): 589-602
DOI: 10.1055/a-0720-3923
Topthema
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einleitung des nicht nüchternen Patienten: Welche Techniken sind zu verwenden?

Anaesthesiologic Techniques for Patients at Risk of Aspiration
Selena Knoth*
,
Benedict Weber*
,
Marlene Croll
,
Hartmut Lotz*
,
Leopold Eberhart*
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Publication History

Publication Date:
22 October 2019 (online)

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Zusammenfassung

Die Rapid Sequence Induction and Intubation (RSII) ist das Anästhesieverfahren der Wahl bei aspirationsgefährdeten Patienten, die sich einem operativen Eingriff in Allgemeinanästhesie unterziehen müssen. Die klassische RSII beschränkt sich auf wenige Behandlungsempfehlungen. Diesen liegen selten evidenzbasierte Erkenntnisse zugrunde. Neue Techniken (z. B. Videolaryngoskopie) sowie neue Diagnostika (z. B. Sonografie) erfordern eine Reevaluation der traditionell praktizierten Techniken. In diesem Artikel werden nichtpharmakologische Behandlungsstrategien der RSII behandelt und alte sowie neue Methoden zur Minimierung des Aspirationsrisikos kritisch diskutiert. Zu diesen gehören neben der Magensonde und der Magensonografie die Abläufe rund um die Narkoseeinleitung, wie Lagerung, Zwischenbeatmung, Relaxometrie sowie der Krikoid- bzw. linksparatracheale Druck. Innerklinisch müssen allen Teammitgliedern Behandlungsstandards für die RSII bekannt und die Abläufe etabliert und eingeübt sein. Ziel dieses Artikels ist es, Systematiken darzustellen, die eine Entscheidungsgrundlage für lokale Handlungsanweisungen bilden können.

Die historisch entwickelte Rapid Sequence Induction and Intubation (RSII) beschränkt sich auf wenige Behandlungsempfehlungen, denen nur selten evidenzbasierte Erkenntnisse zugrunde liegen. Neue Techniken und Diagnostika erfordern eine Reevaluation traditionell praktizierter Techniken und ein erneutes Nachdenken über die Methodik. Die folgenden Systematiken können eine Entscheidungsgrundlage für lokale Handlungsanweisungen bilden.

Abstract

Rapid sequence induction and intubation (RSII) is the appropriate method of inducing general anaesthesia in patients who are at a risk of aspiration. The classical RSII is limited to a few treatment recommendations which are rarely based on evidence-based findings. New techniques (e.g., video laryngoscopy) as well as new means of diagnostics (e.g., sonography) require reevaluation of traditional techniques. In this article non-pharmacological treatment strategies of RSII are described. Furthermore, old and new methods to minimise the risk of aspiration are discussed. This includes gastric tube and gastric sonography as well as modalities for anaesthesia induction, e.g. patient positioning, face mask ventilation, relaxometry, cricoid and left-paratracheal pressure. In-hospital, RSII treatment standards must be familiar to all team members and treatment processes have to be well established and practiced regularly. The aim of this article is to present systematics that can be used as a decision-making basis for local operating procedures.

Kernaussagen
  • Die RSII ist das Allgemeinanästhesieverfahren der Wahl bei Patienten mit erhöhtem Aspirationsrisiko.

  • Eine Aspiration kann trotz größter Vorsicht nicht immer verhindert werden.

  • Liegen absolute Indikationen für eine RSII vor, soll diese immer angewandt werden.

  • Liegen Faktoren vor, die das Aspirationsrisiko erhöhen, liegt es im Ermessen des Anästhesisten, ob das Aspirationsrisiko des Patienten die Risiken der RSII übersteigt und ob und in welcher Ausprägung eine RSII angewandt wird.

  • Bei geübtem Personal kann Krikoiddruck das Risiko einer Regurgitation vermindern.

  • Ist eine Maskenbeatmung notwendig, soll diese vorsichtig und drucklimitiert (maximaler Spitzendruck 15 – 20 cmH2O) erfolgen.

  • Der linksparatracheale Druck kann eine Luftinsufflation unter Maskenbeatmung relativ sicher verhindern.

  • Die Sonografie des Magenantrums in Rücken- und Rechtsseitenlage ermöglicht eine schnelle und nichtinvasive Quantifizierung des Mageninhaltes, dessen Menge mit dem Aspirationsrisiko korreliert.

  • Eine korrekt platzierte Magensonde senkt bei hohem Magenvolumen oder Retroperistaltik das Aspirationsrisiko.

* Selena Knoth und Benedict Weber teilen sich die Erstautorenschaft. Hartmut Lotz und Leopold Eberhart teilen sich die Letztautorenschaft.